Weihnachtsbäckerei - Düfte der Erinnerungen erfüllen die Küche!

Weihnachtliches Backen ist ein Herzstück der Gebräuche jedes christlichen Landes. Es ist die jährlich wiederkehrende Erkenntnis der eigenen Wurzeln in Form eines Rituals, das unter der Verpflichtung gegenüber der Tradition ein intensiv aromatisches Vergnügen darstellt. Es ist ein Brauch aus köstlichen Freuden, die man für sich selbst immer wieder entdeckt und gleichzeitig denen, die wir lieben, stolz anbietet.

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In meiner Kindheit war es das Startsignal für die Weihnachtszeit, wenn meine Großmutter uns Enkelkinder zusammenrief und um den großen Küchentisch versammelte. Dort verteilte sie ein Stück Teig an jeden von uns und zeigte uns, wie man diesen in hunderte von kleinen Kügelchen verwandelte, die nach Zitronenschale dufteten. Wir haben Struffoli gemacht!

Die Großmutter ging mit einem Teller von einem Enkel zum anderen und sammelte mit einer schnellen Geste der Fingerspitzen die fertigen Bällchen ein. Damit ging sie zum Herd, wo ein mit kochendem Öl gefüllter Topf auf sie wartete. Sie warf die duftenden Kügelchen hinein. Sofort schwollen diese an und wurden zu Bällchen von doppeltem Durchmesser. Der Duft verbreitete sich in der Küche und dann im Rest der Wohnung bis ins Wohnzimmer. Dort schnapste der Großvater am letzten Adventssonntag mit seinen Schwiegersöhnen.

Der Großvater unterbrach das Spiel für einige Minuten, um in die Küche zu gehen. Er spähte durch die Tür und sang mit Tenorstimme im Crescendo „Struffoli, Struffoli, Struffoli… was für eine Köstlichkeit!“ zur Belustigung der ganzen Gruppe. Die Großmutter jagte ihn sofort wieder raus und fuhr fort knusprige und duftende Kugeln aus dem Öl auf ein ausgebreitetes Küchentuch zu werfen.

Als die ersten Bällchen ausgekühlt waren, unterbrachen wir unsere Arbeit und Großmutter gab uns eine erste Kostprobe, die, wenn auch noch unfertig, der beste Teil dieses Tages war.

Nachdem wir unsere erste Aufgabe erledigt hatten, kam der für uns faszinierendste Moment. Die Großmutter nahm eine große Pfanne, die außen und am Griff die Zeichen eines langjährigen ehrenvollen Dienstes zeigte. Sie stellte sie aufs Feuer und ließ eine reichliche Portion Honig hineinfließen, zu der sie noch Wasser hinzufügte. Die Hitze löste den Honig auf und ließ ihn mit dem Wasser verschmelzen bis sie zusammen aufkochten. Dann gab die Großmutter die gehackten kandierten Früchte und die Struffoli hinzu.

Sie drehte die knusprigen Kugeln solange im kochenden Honig, bis dieser zu karamellisieren begann. Dann goss sie die Honig-reiche Kugeln auf ein zuvor vorbereitetes Tablett, in dessen Mitte ein umgestürztes Glas stand. Sie verteilte die Struffoli um das Glas herum, sodass ein Donut entstand. Wir haben ihr Tun mit Bewunderung verfolgt. Manche von uns streckten die Hand aus und versuchten dieses zuckrige Magma zu berühren. Aber die Großmutter schob diese geduldig weg und mahnte uns liebevoll, dass wir uns verbrennen würden, solange die Masse nicht abgekühlt und erstarrt wäre.

Wir warteten um den Küchentisch sitzend, mit dem Ticken der Pendeluhr im Hintergrund, und in der Tischmitte den Struffoli-Donut. Währenddessen hatte die Großmutter die uns gut bekannte große Holzschachtel in die Küche gebracht. Wir suchten sie jeden Sonntag wie in einer Schatzsuche, das ganze Jahr über, jedes mal wenn sich die Familie im Haus der Großeltern versammelte, aber immer ohne Erfolg.

Die Oma setzte sich zu uns und öffnete ihre schöne Holzschachtel. Sie nahm viele kleine Gläser heraus, eines nach dem anderen und ordnete sie im Halbkreis auf einer Seite des Struffoli-Donuts. Einige waren mit Zuckerperlen unterschiedlicher Größe und Form gefüllt. Die Kleinsten hatte die Farben des Regenbogens, farbenprächtig, festlich. Dann gab es die etwas größeren in zwei oder drei zunehmenden Größen, silber- als auch goldfarben. Noch größer waren dann die weißen, die sich wie Schneeflocken kräuselten. Schlussendlich weiße, glatte und längliche Zuckerperlen mit einem Herz aus Anis. Diese hatten einen Namen, der uns immer erheiterte: „Diavoletti“ – kleine Teufelchen. Jedes Glas, das aus der Schachtel kam, wurde von der Großmutter mit einem Lächeln und Augenzwinkern begleitet, zu denen sie von Zeit zu Zeit ein großes „Hooo!“ hinzufügte.

Dann kamen die Gläser mit kandierten Früchten an die Reihe: Orangenscheiben, Zetratzitronenschalen und Orangenschalen, kandierte rote und grüne Kirschen und andere Köstlichkeiten.

Die traditionelle neapolitanische Struffoli

Die traditionelle neapolitanische Struffoli

Alles war bereit, das Werk abzuschließen. Oma begann mit den farbigen kleinen Perlen, mit denen sie die Struffoli reichlich bestreute. Dann wechselte sie zu Silber- und Goldperlen, die sie mit etwas mehr Sorgfalt auf den Struffoli verteilte. Die Schneeflocken waren jetzt dran und bekamen ausgesuchte Plätze. Am Schluss die „Diavoletti“, wenige, aber von ihr so platziert als wäre sie eine Künstlerin, die ihr Meisterwerk fertigstellte.

Bei jedem Schritt der Dekoration erklärte die Großmutter, dass ihre Mutter ihr gezeigt hatte, wie man diese Arbeit richtig macht und das ihre Großmutter es vorher ihrer Mutter beigebracht hatte. Und jetzt waren wir an der Reihe. Somit hätten wir es im nächsten Jahr machen können, aber dieses nächste Jahr kam nie. Trotzdem waren einige von uns so begeistert von dieser Ankündigung, dass sie nicht anders konnten, als in die Hände zu klatschen.

In der Zwischenzeit hatte meine Großmutter die Arbeit beendet, indem sie das „barocke“ Meisterstück mit kandierten Orangenscheiben, Zetratzitronenschalen, Kirschen und anderem dekorierte. Sodann rief sie laut nach ihrem Mann – Salvatore, komm her, komm und sieh dir das an … – der Großvater kam sofort, immer noch mit den Spielkarten in der Hand. Beim Anblick der Struffoli breitete er die Arme in Bewunderung aus, so als würde er sich vor Michelangelos Sixtinischer Kapellen befinden. Er beugte sich von seinen einmeterachzig Körpergröße auf die einmetersechzig meiner Großmutter hinab. Opa gab ihr einen Kuss auf die Stirn und rief aus – Marì, nur du, nur du… ! – und die zärtlich lächelnde Großmutter belohnte ihn mit ein paar karamellisierten Kugeln, die sie für ihn von der Struffolimasse ablöste.

So begann Weihnachten damals, und so beginnt es auch heute noch – mit dem Duft von Erinnerungen, welche die Küche zu Weihnachten füllen.

© Dario & Manuela Santangelo
21. Dezember 2020

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